Kinder wandern auf den Traufgängern bei Albstadt. Auf der Schwäbischen Alb bekommen die Familien neben einer spektakulären Natur, auch besondere Sehenswürdigkeiten wie die Burg Hohenzollern zu sehen. Seit 2018 gibt es bei Albstadt das Traufgängerle und wir sind vor Ort gewesen.
Am Boden erkennt man noch die Überreste: Ein Kreis mit schwarzer Erde und verbrannten Steinen. Auch die dicken Wände sind geschwärzt. In der Ecke lehnt ein Besen. Als komme sie jeden Moment wieder – die Hexe. Ihre Küche sieht verlassen aus, nur ein paar Kinder toben hindurch, blicken hinter Felsen, wuseln durch den Eingang, und wenn es zu unheimlich wird, ganz schnell wieder hinaus. Die Hexenküche ist eine Felsformation mit einer kleinen Höhle oberhalb von Albstadt. Ihren Namen hat sie von den Einheimischen selbst. Wenn früher aus dem Wald in der Nähe der Felsen Nebel aufgestiegen ist, haben die Albstädter im Tal gesagt: „Ah, die Hexe kocht wieder.“
Dem Geheimnis auf der Spur
Die Hexenküche ist heute der Höhepunkt des Premiumspazierwanderwegs „Traufgängerle Hexenküche“, der speziell für Familien angelegt wurde. Start ist das Hexentor am Parkplatz Waldheim, direkt neben dem Abenteuerspielplatz. Von dort verläuft der Weg zunächst über weißen Kies, dann über erdigen Boden und bleibt dabei ganz naturbelassen. Nach und nach offenbart das Traufgängerle seine Geheimnisse. Lautes Schnauben und Rascheln weist die Wanderer auf das erste Geheimnis hin: ein Wildschwein-Gehege. Die Waldbewohner durchwühlen mit ihren Rüsseln den Erdboden. Von einer überdachten Aussichtsplattform können die Kinder ihnen dabei zusehen. Oder doch am Wegesrand durch einen ausgehöhlten Baumstamm klettern, die geschnitzten Waldtiere aus Holz bestaunen oder das Bienen- und Insektenhotel bewundern? Verschiedene Stationen lassen die knackige Kurzwanderung zu einem spannenden Abenteuer werden. Auch das nächste Geheimnis sollten sich Familien nicht entgehen lassen: die Hexenküche. Durch ein Portal aus Felsen wandert man in die zauberhafte Welt der Hexen. „Wo ist denn die Hexe?“, kommt dann häufig als Frage von den Kindern. Und auch man selbst stellt sich unmittelbar beim Eintreten in die Höhle die gleiche Frage, wagt einen Blick in die dunkelsten Ecken und macht sich dann doch schnell auf zum nächsten Abenteuer.
Wandern mit Kindern auf der Schwäbischen Alb: Vorreiter, statt Hinterhergeher
Muss es immer Premiumwandern sein, wer mit den Kindern draußen unterwegs ist? Nein, nicht immer. Aber es ist angenehm, dass es bei der Wanderplanung Qualitätsmerkmale und Bewertungen gibt, an denen man sich orientieren kann. Was das hochwertige Wandererlebnis ausmacht und wie sich Albstadt einen Trend zu Nutzen gemacht hat, erklärt Martin Roscher, Leiter von Albstadt Tourismus, im Interview.
In Albstadt werden Wanderer zu Traufgängern. Entlang der einzigartigen Traufkante laden zehn Premiumwanderwege auf ganz besondere Rundtouren ein. Mit Qualitätssiegel und offizieller Bewertung. Über die Vorreiterrolle einer Wanderregion.
Muss es immer Premiumwandern sein? Nein, nicht immer. Aber es ist schön, dass es bei der Wanderplanung Qualitätsmerkmale und Bewertungen gibt, an denen man sich orientieren kann. Was das hochwertige Wandererlebnis ausmacht und wie sich Albstadt einen Trend zu Nutzen gemacht hat, erklärt Martin Roscher, Leiter von Albstadt Tourismus, im Interview.
Herr Roscher, Albstadt ist die erste Region Süddeutschlands, die vom Deutschen Wanderinstitut als Premiumwanderregion ausgezeichnet wurde. Was darf man sich darunter vorstellen?
Premiumwandern ist ein Angebot an Wanderer mit einer Qualitätsgarantie. Das bedeutet, dass der jeweilige Wanderweg eine lange Liste an Kriterien erfüllen muss. Wichtig ist dabei die Naturbelassenheit der Wege, aber auch Landschaft, Erlebniswert, Sehenswürdigkeiten oder das Wanderleitsystem werden anhand eines Punktesystems bewertet. Damit lässt sich die Erlebnisdichte einer Wandertour ausdrücken. Wir haben mit den Traufgängen eine Premium-Wandermarke etabliert, die eben diese Qualitätsgarantie gibt.
Die Traufgänge haben ja richtig gut abgeschnitten…
Stimmt. Um das Siegel zu bekommen, sind 45 Punkte nötig. Unsere Traufgänge liegen mit 68 bis 90 Punkten deutlich darüber. Das bestätigt, dass die Schwäbische Alb mit dem Albtrauf nicht nur ein attraktives Wandergebiet ist, sondern auch, dass unser Konzept der Wegeplanung gefruchtet hat.
Das Konzept der Premiumwanderregion wurde von Ihnen und Ihren Kollegen 2010 ins Leben gerufen. Welche Idee steckte damals dahinter?
Wir wollten unsere Wanderwege neu beschildern und haben uns gefragt, wie wir das Wegenetz zukunftsfähig gestalten können. Ich habe dann zufällig ein Radiointerview mit dem damaligen „Wander-Papst“ Rainer Brämer gehört, der das Thema Wandern durch tausende Befragungen soziologisch untersucht hat. Dadurch sind wir in Kontakt mit dem Deutschen Wanderinstitut gekommen und haben mit Input aus der Forschung ein erstklassiges Produkt entwickelt, das komplett auf den Wanderer ausgerichtet ist. Der Name „Traufgänge“ ist dann eines Abends bei Pizza und Wein entstanden.
Was waren die Herausforderungen bei der Entwicklung?
Wir waren ja die ersten, die in Süddeutschland eine solche Wandermarke im Premium-Segment kreiert und dann als solche auch konsequent kommuniziert haben. Dabei gab es schon ein paar Berührungsängste, denn es ging weg vom traditionellen Wandern. Aus dem vielverzweigten Wandernetz wurden Rundwanderwege, unsere Premiumwanderwege. Aber letztendlich haben wir schnell alle Partner ins Boot geholt. Ohne die Unterstützung durch den Forst, den Naturschutz, die Jäger oder den Schwäbischen Albverein wären die Traufgänge heute nicht so erfolgreich.
Wie hat sich Albstadt seitdem entwickelt?
Wir haben mit den Traufgängen in Baden-Württemberg einen regelrechten Wanderboom ausgelöst. Die Wandermarke hat aber auch bei den Einheimischen einen gewissen Stolz auf ihre Heimat erzeugt und Albstadt ein positives Image weit über die Landesgrenzen hinaus beschert. Bei den Tagestouristen haben wir enorme Zuwachsraten verbucht, auch bei den Übernachtungszahlen merken wir Fortschritte. Das hochwertige Freizeitangebot ist natürlich auch für uns als Wirtschaftsstandort beim Werben um Fachkräfte ein großer Vorteil.
Nächstes Jahr feiern die Traufgänge ihren zehnten Geburtstag. Wie wird gefeiert?
Es wird Jubiläumswanderungen geben, ein Magazin rund um die Outdoorstadt Albstadt und vieles mehr. 2020 gastiert zudem die Mountainbike WM in Albstadt. Es wird daher ein ereignisreiches Jahr. Wichtig für die Zukunft ist, dass wir die Premium-Qualität halten und weiter ausbauen.
Was müssen angehende „Traufgänger“ zum Wandern mitnehmen?
Neben gutem Schuhwerk, das man übrigens auch in unserem LOWA-Testcenter kostenlos ausleihen kann, reichen ein Faible für Natur und Freude am Genuss. Unsere Premiumwanderwege sind so gut ausgeschildert, dass man sich auch ohne Karte zurechtfindet: Alle 50 bis 100 Meter kommt ein Sichtzeichen, jede Wegkreuzung ist lückenlos mit Wegweisern beschildert. Zudem sind alle Touren in unserer Albstadt App inklusive GPS-Track abrufbar.
Zum Schluss noch ein Tipp: Welchen Spot dürfen „Traufgänger“ auf keinen Fall verpassen?
Das Zeller Horn mit Blick auf die Burg Hohenzollern ist sicherlich ein Highlight. Aber auch der Heersberg in Albstadt-Burgfelden ist einen Ausflug wert. Hier bekommt man einen schönen Überblick über die Region und kann bei gutem Wetter bis in die Vogesen schauen. Außerdem lohnt es sich immer, in den gutbürgerlichen Gastronomiebetrieben einzukehren. Schwäbische Maultaschen oder Kässpätzle sind ein Muss.