Es gibt keine Schwerkraft! Wer Andy Lewis auf der Slackline sieht, kommt zu diesem Ergebnis. Seit sieben Jahren bewegt er sich mehrheitlich balancierend durchs Leben. Siebzig Prozent seiner freienZeit („also die Zeit, in der ich wach bin“) widmet der abgedrehte Lockenkopf seinem Lieblingssport, der sich für ihn im Laufe der Jahre vom Hobby zur Lebenseinstellung gewandelt hat. Früher musste Andy, er nennt sich selbst Mister Slackline, noch gelegentlich im Supermarkt arbeiten, um sich über Wasser halten. Inzwischen ist er professioneller Slackliner und lebt das „Slacklife“ mit all seinen Facetten; dazu gehören Free Solos auf der Highline, Rückwärtssaltos auf der Slackline und sogar B.A.S.E.-Jumping. In diesem Jahr ist Andy das Gesicht der European Outdoor Film Tour.
Andy, alles, was du machst, sieht ziemlich gefährlich aus…
Andy Lewis: Ja, das stimmt schon. Die Gefahr ist bei mir allgegenwärtig. Aber das muss man relativ betrachten. Beim Free Solo auf einer kurzen Highline ist das Risiko, dass ich von der Line falle sehr gering, doch die Konsequenzen wären enorm: Ich würde den Sturz
nicht überleben. Aber klar, ich bin ein Grenzgänger und probiere gerne neue Sachen aus, von denen ich vorher nicht weiß, ob sie funktionieren werden.
Beim Ausprobieren hast Du dem Sport auch viele neue Tricks beschert.
Als ich anfing, gab es noch gar keine Tricks. Und nachdem ich sicher über die Line laufen konnte, begann ich zu überlegen, wie man ein bisschen mehr Spannung in die Sache reinbringen könnte. Ich sprang hoch, ließ mich nach vorn und nach hinten auf die Slackline fallen, kombinierte die verschiedenen Bewegungen – und so kam ein Trick zum anderen. Aber so richtig los ging es, als ich den ersten
Rückwärtssalto auf der Slackline geschafft habe.
Du giltst als „Vater des modernen Slacklinings“. Gefällt Dir dieser Titel?
Ich war dabei als Slacklining – wenn man es so will -„erwachsen wurde“. Es ist jetzt ein richtiger Sport. Ich mag
den Wettbewerb. Im Juli bin ich wieder Slacklining-Weltmeister geworden. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Es ist krass zu sehen, dass Kids, die einige Jahre jünger sind als ich, Tricks vorführen, in deren Entwicklung ich Monate investiert habe. Und die schütteln
das einfach so aus dem Ärmel.
„Slacklife“ ist deine Lebensphilosopie. Was meinst Du damit?
Slacklife bedeutet einfach nur Slackline-Leben, das Leben mit der Slackline. Dafür gibt es keine Definition, es ist eine ganz persönliche
Sache. Mir steht es überhaupt nicht zu, das irgendwie in Worte zu fassen. Slacklife ist vielmehr eine Idee, ein Konzept oder einfach nur ein Gefühl, das wohl nur die verstehen können, die es wirklich leben.
Du wohnst in Moab, Utah. Ist das der perfekte Ort zum Slacklinen?
Moab zieht alle möglichen Leute an, auch ziemlich verrückte. Das ganze Jahr über kommen Touristen, die klettern, wandern oder mountainbiken wollen. Manche fahren auch einfach mit ihrem Jeep durch die Wüste… Moab ist sehr klein, und wenn Slackliner kommen, dann weiß es gleich die ganze Stadt. Wir haben einige Lines, die das ganze Jahr über gespannt bleiben. Und wir veranstalten
jedes Jahr ein Highline-Festival.
Was ist Dir im Leben am allerwichtigsten?
Meine Freiheit! Deshalb bin ich auch nicht mit Madonna aufn Welttournee gegangen. Wir haben beim amerikanischen Superbowl
gemeinsam die Bühne gerockt. Es hat Wochen gedauert die Choreografie dafür einzustudieren. Nachdem alles super gelaufen war, wollte sie auch alle anderen Auftritte mit mir machen. Aber so was ist einfach nicht mein Ding: man reist um die halbe Welt,
sieht nichts als Hotelzimmer und muss einmal am Abend – auf den Punkt! – volle Leistung bringen. Da häng ich doch lieber mit meinen Freunden ab.
Was machst du im Winter?
Ich besuche meine Freunde und die Familie. Denen muss ich ab und zu beweisen, dass ich noch am Leben bin. Und ich fahre Ski!
Dein Lebensmotto?
Slacklife forever!
Danke an das E.O.F.T-Team, sie führten das Interview mit Andy Lewis!